tekom - Gesellschaft für technische Kommunikation - Deutschland e.V.
21.11.2024

KI in der Technischen Kommunikation – Trends und neueste Entwicklungen

Claudia Sistig, Technische Redakteurin bei der Compart GmbH in Böblingen, hat sich eingehend mit den Anwendungsmöglichkeiten von KI im beruflichen Kontext beschäftigt. In ihrem Vortrag beim Best-Practice-Workshop für Technische Kommunikation in der Medizintechnik, der am 23. Oktober in Göttingen stattfand, erläuterte sie die bedeutendsten Entwicklungen der letzten Monate. Der nachfolgende Artikel fasst die wesentlichen Punkte ihres Vortrags zusammen.

Ein bemerkenswerter Trend ist das wachsende Angebot an KI-Anwendungen, die sich in zwei Kategorien unterteilen lassen: einerseits Anwendungen, die den einfachen Zugriff auf KI-Funktionen ermöglichen, andererseits Anwendungen, die es erlauben, neue KI-Anwendungen zu entwickeln, ohne dass dafür tiefgehende Programmierkenntnisse erforderlich sind. KI-Funktionen sind mittlerweile in zahlreichen gängigen Anwendungen integriert, beispielsweise bietet Zoom jetzt einen KI-gestützten Companion für Aufzeichnungen, auch Adobe hat KI-Tools in Acrobat und Photoshop implementiert. So gut wie jedes E-Mail-Programm oder jeder Kalender enthält mittlerweile KI-gestützte Suchfunktionen oder ähnliche Features. Darüber hinaus gibt es immer mehr Content-Management-Systeme und Editoren, die KI-Funktionen anbieten, um Inhalte zu generieren oder bestehende Informationen zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Die Interaktion mit KI-Systemen hat sich ebenfalls verbessert: Die Kommunikation ist flüssiger und die Antworten sind weniger steif und wirken dadurch menschlicher. Ein weiterer wichtiger Fortschritt sind KI-Agenten, die eine weiterentwickelte Form von KI-Chatbots darstellen. Diese Agenten können eigenständig auf Daten zugreifen und verschiedene Tools einsetzen, um anspruchsvolle Aufgaben und komplexe Anforderungen zu bewältigen.

Chatbots

Chatbots reagieren direkt auf Benutzeranfragen. Benutzer:innen stellen Fragen und der Chatbot liefert möglichst schnelle und flüssige Antworten, um eine menschenähnliche Interaktion zu ermöglichen. Typische Anfragen könnten sein: „Wie kann ich mit dieser Software einen Prozess aufsetzen?“ Der Chatbot beschreibt dann die notwendigen Schritte, solange die entsprechende Dokumentation als Kontextinformation hinterlegt wurde. Die Qualität der Antwort wird durch die Benutzer:innen bewertet. Wenn ein:e Benutzer:in nachfragt oder korrigiert, versucht der Chatbot, seine Antwort zu verbessern. In der Live-Demonstration wurde ein Chatbot in der FlowiseAI-Umgebung eingesetzt, um Fragen zur Benutzerdokumentation eines Blutzuckermessgeräts zu beantworten. Der Chatbot, der auf einem OpenAI GPT-Modell basierte, zeigte, dass er die Informationen aus der Dokumentation präzise wiedergeben konnte und in der Lage war, komplexe Informationen in einfacherer Sprache aufzubereiten. Allerdings stoßen Chatbots schnell an ihre Grenzen, wenn die Anforderungen umfassender und schwieriger werden. Bei der Frage „Kannst du mir auf dieser Grundlage Schulungsunterlagen im HTML-Format generieren?“ endet die Unterstützung meist.

KI-Agenten

Im Gegensatz zu Chatbots arbeiten KI-Agenten autonom und können im Rahmen definierter Aufgaben selbstständig Entscheidungen treffen. Benutzer:innen definieren die Aufgabe, und der Agent greift auf bereitgestellte Tools und Daten zu, um die beste Lösung zu finden. Er kann prüfen, ob die gefundene Lösung den Anforderungen entspricht, und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen. Hier liegt der Fokus weniger auf der Geschwindigkeit der Antworten, sondern auf deren Genauigkeit und Qualität. Der agentenbasierte Workflow ist mehrstufig aufgebaut und umfasst einen Supervisor, der Benutzeranfragen entgegennimmt und die Arbeitsaufträge an mehrere Worker verteilt. Jeder Worker kann dabei unterschiedliche Tools nutzen, um spezifische Teilaufgaben zu erfüllen. Die Worker können auf eine Vielzahl von Tools zugreifen, einschließlich Code-Interpretern, API-Zugriffen und Datenbanken. Dies macht den Workflow äußerst anpassungsfähig und leistungsfähig.

  1. Supervisor: Er empfängt die Benutzeranfragen und koordiniert die Arbeitsaufträge der Worker. Der Supervisor kann auch auf verschiedene Chatmodelle zugreifen, was eine flexible Anpassung an die jeweiligen Anforderungen ermöglicht.
  2. Worker: Jeder Worker hat spezifische Aufgaben, die durch einen separaten System-Prompt definiert sind. Im Demonstrationsbeispiel wurde ein erster Worker beauftragt, Informationen aus einer Benutzerdokumentation auszulesen und sie für Kinder und Jugendliche aufzubereiten. Der Text wird vereinfacht, technische Begriffe werden umformuliert oder weggelassen.
  3. Mehrstufiger Prozess: Nach der Verarbeitung durch den ersten Worker lieferte dieser seine aufbereiteten Informationen an einen zweiten Worker. Dessen Auftrag war es, Trainingseinheiten zu erstellen. Er unterteilte die Informationen in interessante Module und fügte zusätzliche Elemente wie Quizfragen hinzu. Der dritte Worker formatierte dann die Inhalte in eine kinderfreundliche HTML-Seite.

Durch die Kombination von Supervisor und mehreren spezialisierten Workern können komplexe Aufgaben effizient bearbeitet werden, um qualitativ hochwertige Ergebnisse zu liefern.

Risikostufen der EU-KI-Verordnung

Für Unternehmen bedeutet die Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI), dass sie sich mit den geltenden Regeln und der EU-KI-Verordnung auseinandersetzen müssen. Derzeit liegt noch eine Entwurfsfassung vor, doch viele Unternehmen orientieren sich bereits an dieser. Ziel ist es, Strategien und Richtlinien zu definieren, welche KI-Anwendungen im Unternehmenskontext zulässig sind und unter welchen Bedingungen. Die EU-KI-Verordnung definiert verschiedene Risikostufen für KI-Anwendungen:

  1. Unannehmbares Risiko: Diese Anwendungen sind in der EU vollständig verboten. Beispiele sind Social Scoring und biometrische Überwachung im öffentlichen Raum.
  2. Hohes Risiko: Dazu zählen Anwendungen in den Bereichen Personalwesen (z.B. Analyse des Verhaltens von Bewerber:innen durch KI) und Kreditvergabe (z.B. KI-gestützte Risikobewertungen). Für diese Anwendungen gelten strenge Protokollierungs- und Überprüfungsregeln.
  3. Begrenztes Risiko: Hierunter fallen beispielsweise Chatbots. Diese können falsche Informationen generieren. Bei begrenztem Risiko müssen Anwendungen klar gekennzeichnet werden.
  4. Minimales Risiko: Dazu zählen KI-Anwendungen wie Empfehlungsdienste (z.B. von Amazon und Netflix) oder Spamfilter, bei denen nur geringe Auswirkungen zu erwarten sind. Derzeit gelten für diese Anwendungen keine speziellen Regeln.

Unternehmen können sich an diesen Risikostufen orientieren und beispielsweise nur KI-Anwendungen mit begrenztem oder geringem Risiko nutzen. Sie müssen definieren, welche Daten für das Training verwendet werden dürfen und welche Anbieter akzeptabel sind. Die Verwendung von KI-Agenten bietet neue Möglichkeiten, erfordert jedoch ebenfalls klare Regeln und Strategien.

Die Integration von KI-Anwendungen in den Arbeitsalltag der Technischen Redaktion kann Abläufe vereinfachen und beschleunigen. Viele Unternehmen nutzen bereits Teile der EU-KI-Verordnung, um auf dieser Grundlage eigene, klare Regeln und Strategien für den Umgang mit KI zu formulieren.