tekom - Gesellschaft für technische Kommunikation - Deutschland e.V.
23.10.2023

ChatGPT - Content-Delivery - elektronische Anleitungen (eIFU)

Teilnehmer diskutieren im tekom-Best-Practise-Workshop Medizintechnik

Die Teilnehmer schätzten insbesondere die umfassende und praxisorientierte Diskussion aktueller Themen, die durch die vielfältigen Experteneinblicke und Erfahrungen bereichert wurde.

In einer Vorstellungsrunde wurde bereits diskutiert, welche Themen die Führungskräfte im letzten Jahr bewegten. Dabei wurde offensichtlich, dass das Thema "Ansätze für die Umsetzung der Medizinprodukte-Verordnung (MDR) in Bezug auf elektronische Gebrauchsanweisungen (eIFU)" im vergangenen Jahr die meisten Firmen beschäftigt hat. Damit zusammenhängend ist die Frage der elektronischen Bereitstellung (Content-Delivery) der elektronischen Dokumentationen. Ziel vieler Unternehmen ist es, einerseits Kosten für die Erstellung der Dokumentation in Papier zu sparen und andererseits ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Ferner interessierte die Frage, welchen Einfluss ChatGPT zukünftig auf die Erstellung technischer Kommunikation haben wird und wie es heute schon genutzt wird.

Zu diesen Fragestellungen schalteten sich als Höhepunkt des Tages online zwei Experten zum Best-Pratice-Workshop hinzu: Frau Ulrike Parson, Gründerin und Vorstand der parson AG, gab Input und beantwortete Fragen zu den Themen Content-Delivery und ChatGPT in der Technischen Kommunikation. Herr Christopher Seid vom Johner Institut in Frankfurt, Experte im Bereich Regularien für die Medizintechnik, referierte daraufhin zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für eIFU.

Die beiden Experten verdeutlichten mit ihrem Input das Spannungsfeld, in dem sich die Technische Kommunikation befindet. Ulrike Parson betonte die sich ändernden Anforderungen an die technische Dokumentation und deren zunehmende Bedeutung für Verkaufsprozesse. Sie betonte, dass das Format gedruckter Handbücher an Bedeutung verliere und elektronische Produktinformationen wichtiger würden. Ein Hauptziel sei die Schaffung einer digitalen Datenkette und die Lieferung kleiner Informationseinheiten, die zu den Anwendungsinformationen passen. Sie betonte die Wichtigkeit von intelligenten Informationen, die nützlich, personalisiert und kontextgerecht sind, und dass diese in der Lage sein sollten, formatneutral für verschiedene Endgeräte bereitgestellt zu werden. Insgesamt sind fünf Schritte zur Implementierung intelligenter Informationen notwendig:

  1. Dokumente müssen in Topics und Fragmente aufgebrochen werden, in einem maschinenlesbaren Format.
  2. Notwendig sind dann Metadaten für die Variantensteuerung und die Auslieferung der Informationseinheiten. Es gibt verschiedene Standards für die Metadatenentwicklung, z.B. iirds.
  3. Inhalte müssen nützlich und kontextunabhängig sein und topicbasiert erstellt werden, so dass sie selbsterklärend sind und für sich stehen können.
  4. Standardisieren z.B. für die verschiedenen Informationsarten.
  5. Content-Lieferketten für verschiedene Inhalte müssen optimiert werden, auch hier müssen Standards dazu etabliert werden, wo Inhalte entstehen, wer die Hoheit hat und wo werden diese hingeliefert.

Zudem sprach sie über die Wichtigkeit von Content-Delivery-Portalen und Kundenportalen, die eine dynamische Filterung von Informationen je nach Rolle und Funktion ermöglichen.

Herr Seid von Johner Institut, Experte für eIFUs in der Medizintechnik und die MDR erläuterte anschließend die regulatorischen Anforderungen an eIFUs.

Schnell wurde allen klar: Vieles, was technisch möglich ist, ist aus regulatorischen Gründen nicht möglich.

Trotz der zunehmend positiven Entwicklungen und interessanten Möglichkeiten für die Bereitstellung von intelligenten Informationen bestimmen spezifische Vorschriften, insbesondere im Bereich der Medizintechnik, die Richtlinien für die Nutzung elektronischer Gebrauchsanweisungen (eIFUs). Es bestehen unterschiedliche Regelungen bezüglich der Länder, die eIFUs akzeptieren. Wichtige Regularien, die hierbei eine Rolle spielen, sind unter anderem die Medical Device Regulation (MDR) der Europäischen Union, die EU-Verordnung 2021/2226 sowie die Richtlinien von EU und EFTA. Grundsätzlich erlaubt die MDR die Verwendung von eIFUs, sofern die entsprechenden Vorschriften eingehalten werden. Die Verwendung elektronischer Gebrauchsanweisungen ist gestattet, wenn diese auf einem geeigneten Speichermedium oder einer Webseite bereitgestellt werden können, und wenn sie sich an professionelle Anwender richten, beispielsweise bei fest installierten Produkten, implementierter Software, Produkten mit Displays oder eigenständiger Software. Zu den zwingenden Anforderungen zählen außerdem ein umfassendes Risikomanagement, um sicherzustellen, dass Anwender mit der eIFU umgehen können, die Umgebung, in der sie genutzt wird, Zugangs- und Backupmechanismen sowie Maßnahmen für Notfallsituationen. Darüber hinaus müssen zusätzliche Kriterien erfüllt werden, wie beispielsweise das Vorliegen eines universell zugänglichen Formats, das keine spezielle Software erfordert, Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor unbefugtem Zugriff und Manipulation der Inhalte, eine stabile Zugriffsadresse, die Einhaltung der EU-Datenschutzverordnung und die Möglichkeit der Auslieferung und des Zugriffs über den gesamten Produktlebenszyklus – um nur einige der Anforderungen zu nennen. Der Austausch der Teilnehmer des Best-Practise Workshops zeigte dann, dass eIFUs partiell für bestimmte Anwender und Bereiche umgesetzt werden können und umgesetzt werden. Allerdings im gängigen PDF-Format, da bei topicbasierten Ansätzen die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen noch schwieriger ist. Die Teilnehmer tauschten ihre Erfahrungen bei der Umsetzung von eIFU aus und diskutierten intensiv darüber, wie elektronische IFUs gedruckte IFUs möglicherweise teilweise ersetzen könnten, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen regulatorischen Anforderungen.

Frau Parson gab im Anschluss noch eine Zusammenfassung Ihres Vortrags zu den Einsatzmöglichkeiten und Risiken zum Einsatz von ChatGPT in der Technischen Kommunikation: Chatbots, die auf Large Language Models (LLMs) basieren, sind künstliche Intelligenzen, die durch maschinelles Lernen trainiert werden und komplexe Aufgaben im Bereich der natürlichen Sprachverarbeitung (NLP) ausführen können. Diese generativen KI-Modelle sind in der Lage, Texte, Bilder, Übersetzungen und mehr zu erzeugen. Sie finden vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Einige der Aufgaben, die diese LLM-basierten Chatbots übernehmen können, umfassen das Erzeugen und Korrigieren von Texten, das Entwerfen von Gliederungen für Vorträge, Aufsätze und Handbücher, das Umschreiben von Texten durch Zusammenfassen, Anpassen des Stils und der Detailtiefe, sowie die Erzeugung, Bearbeitung und Erweiterung von Bildern. Darüber hinaus können sie Unterhaltungen führen, Fragen beantworten, Sentiment-Analysen durchführen und Übersetzungen in verschiedenen Sprachen anbieten. Im Einsatz gibt es Risiken zu beachten, da die erzeugten Texte auf statistischen Ergebnissen basieren und nicht aus einem echten Verständnis der Konzepte entstehen. Diese Risiken beinhalten die Möglichkeit von Halluzinationen und den aufwändigen Prozess des Vergessens von Informationen. Zudem besteht ein begrenztes domänenspezifisches Wissen und es werden keine Rollen und Rechte berücksichtigt. Die Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit bei der Nutzung von Cloud-Diensten sind ebenfalls von Bedeutung, ebenso wie die Unmöglichkeit, die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der Aussagen zu garantieren. Der Aufbau von Know-how und die Nutzung von Cloud-Infrastruktur erfordern erhebliche Investitionen, während der hohe Rechenaufwand für große Sprachmodelle den ökologischen Fußabdruck beeinflusst. Zusätzlich ist die rechtliche Lage ungeklärt, wie auch in Bezug auf die regulatorischen Anforderungen an Medizinprodukte mit Machine Learning, wie näher beschrieben auf johner-institut.de.

Large Language Models (LLMs) und Chatbots wie ChatGPT können entlang des gesamten Content-Lebenszyklus in der technischen Kommunikation vielseitig eingesetzt werden. Durch den Einsatz von LLMs und ChatGPT kann die Lesbarkeit von Texten in der technischen Kommunikation verbessert werden. Die Funktion zur automatischen Prüfung der Rechtschreibung und Grammatik ermöglicht eine effektive Qualitätskontrolle, wodurch die Genauigkeit und Professionalität der erstellten Inhalte gewährleistet werden. Des Weiteren unterstützen LLMs und ChatGPT bei der Identifizierung von Textpassagen, die für die Wiederverwendung geeignet sind. Dies erleichtert die Aktualisierung und Neugestaltung von Inhalten, was zu einer effizienten Nutzung und Anpassung des Contents führt. Durch die Integration von ChatGPT in den Dialog mit Anwender:innen können Fragen schnell und präzise beantwortet werden, was zu einer verbesserten Benutzererfahrung führt. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass ChatGPT in Kombination mit maschineller Übersetzung eingesetzt wird.

Neben dem intensiven inhaltlichen Austausch und der Diskussion zu vielen wichtigen Themen, wie Änderungsprozessen, Normen, Terminologiemanagement und Übersetzungsprozessen, war ein weiterer Höhepunkt die Führung im Forum des Drägerwerks, welche die Historie des Unternehmens und die vielfältigen Produkte und Anwendungsgebiete aus den Bereichen Krankenhaus, Feuerwehr und Industrie mit dem Schwerpunkt Beatmung und Atemschutz präsentierte.

Die tekom-Best-Practise Workshops haben bereits eine 20jährige Tradition für verschiedene Branchen und wir freuen uns, die Kollegen:innen von der Medizintechnik im kommenden Jahr wieder zu treffen.