Typo-Walk - eine Führung durch die Tübinger Altstadt

Menschen, die auf Schilder starren

Tübingen ist eine lebhafte Stadt, reich an Geschichte, und seit Jahrhunderten geprägt durch die Universität und das Studentenleben. Aber was sich am Freitag, den 13. Oktober abspielte, mag selbst die sicher an vieles gewöhnten Tübinger verwundert haben: Eine Gruppe von 14 Personen stand zehn Minuten lang vor einem Imbiss – aber statt innen Falafel, Döner oder Pizza zu holen, begutachteten sie nur das Schild über der Ladentüre.

Der Imbiss war nur eine Station von vielen, zu denen uns die erfahrene Stadtführerin Barbara Honner führen würde. Sie hat sich seit Jahren die Untersuchung von Schriftarten in der Stadt und die Rettung bedrohter Schriftzüge und Schilder zur Aufgabe gemacht. Das ist aber auch ein buntes Thema! Nach dem libanesischen Imbiss unter einer Jugendstil-Schriftart gab es einen Blumenladen mit der Schriftart der Pariser Metro zu sehen, und ein Geigenbau-Atelier in einem Fachwerkhaus von 1488 mit Aufschrift in der Garamond, deren Wurzeln in der gleichen Zeit liegen. Eine weitere Station war die Gaststätte zum Gutenberg, deren Schriftart aus den 30-er Jahren stammt und in der man – mit etwas Phantasie – immer noch ein Symbol aus dieser Zeit erkennen kann.

Zu jeder Station wusste Frau Honner vieles zur Schrift, und häufig auch zum Schriftgestalters (und seiner Todesart), zum Haus und seinen Bewohnern, zu erzählen. Und so wurde die Führung durch die Gassen Tübingens gleichermaßen eine Führung durch die Geschichte der Stadt, durch die Geschichte des Schreibens und durch die Geschichte der Kultur.

Die letzte Station war gleichzeitig die erste: In der Traditionsgaststätte "Tübinger Wurstküche", mit deren in Fraktur geschriebenem Namen die Runde begann, wartete ein Tisch auf uns. In einer gemütlichen und genüsslichen Runde klang dieser letzte Spätsommertag aus.